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Vermieter kündigt aus Eigenbedarf – Aber wann ist Kündigung aus Eigenbedarf zulässig?

Eigenbedarfskündigung vom Vermieter
Streitfall Eigenbedarf, wenn der Vermieter die Wohnung kündigt. Hat der Vermieter die Absicht eine Eigenbedarfskündigung auszusprechen oder erhält ein Mieter eine solche, so sind in beiden Fällen die gesetzlichen Bestimmungen ab zu prüfen.

Zunächst einmal: Die Kündigung der Wohnung bei Eigenbedarf bedarf der Schriftform. Zahlreiche Gerichte haben wegweisende Urteile gefällt, deren Geltung herangezogen werden können, um die Interessensabwägung der Mieter und Vermieter einzuschätzen.

Worum geht es? Auch langjährige Mieter können ihre Wohnung verlieren, wenn ihr Vermieter Anspruch aus „Eigenbedarf“ anmeldet.

Mit einer formal und inhaltlich korrekten Eigenbedarfskündigung können Vermieter sogar solchen Mietern kündigen, die sich während Ihrer bisherigen Mietzeit nichts zu schulde haben kommen lassen und sich immer 100%ig vertragsgerecht verhalten haben.

Eigenbedarf ist übrigens in Deutschland der häufigste Kündigungsgrund von Wohnungen, so der Deutsche Mieterschutzbund. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs muss der Vermieter dem Mieter schriftlich mitteilen und zudem begründen.

Dabei gehört es zu den größten Irrtümern und Mythen des Mietrechts, dass der Mieter bei Kündigung aus Eigenbedarf in jedem Fall aus der Wohnung muss.

Reiner Wunsch des Vermieters kein ausreichender Kündigungsgrund

Anwalt Gericht
Firmen dürfen keine Eigenbedarfskündigung geltend machen. Allgemein benötigt der Vermieter bei einer Kündigung des Mietvertrags aus Eigenbedarf ein berechtigtes Interesse, so die Gerichte.

Der reine Wunsch, in der eigenen Wohnung zu leben ist kein ausreichender Kündigungsgrund. Im Gegenteil, der Wohnungseigentümer muss vernünftige und  nachvollziehbare Gründe anführen.  Wenn der Vermieter Eigenbedarf anmeldet, muss der Mieter eben nicht immer und prinzipiell ausziehen.

So haben mehrere Gerichte entschieden, dass beispielsweise Firmen keine Eigenbedarfskündigung geltend machen dürfen.  Auch wurden durchaus Eigenbedarfskündigungen gerichtlich gekippt, wenn der Vermieter gerade bei Vertragsabschluss hätte wissen können, dass in absehbarer Zeit Eigenbedarf anliegen würde.

Er hätte in diesem Fall deshalb einen befristeten Mietvertrag abschließen müssen.

Eigenbedarf für Familienmitglieder und für seine oder deren berufliche Betätigung

Zur Kündigung aus Eigenbedarf benötigt der Vermieter wie erwähnt ein berechtigtes Interesse. Dieses liegt vor, falls er die Räume für sich selbst, seine Verwandten oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Eigenbedarf kann gegeben sein, wenn der Vermieter die Wohnung  für seine berufliche Arbeit oder die eines Familienangehörigen nutzen will, so eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom September 2012 (Aktenzeichen: VII ZR 330/11).

Kündigung der Wohnung bei Eigenbedarf mag fernerhin für entfernte Verwandte gelten

eigenbedarf kuendigung familie
Die Kündigung des Mietvertrags einer Wohnung aus Eigenbedarf gilt für Familienangehörige. Zulässig sind die folgenden Verwandten: Kinder, Eltern, Enkelkinder, Geschwister, sowie Nichten und Neffen.

Als Familienangehörige gelten Verwandte in direkter Linie, also Eltern und Kinder. Aber ebenso in zweiter Linie, zugunsten von Enkelkindern oder Geschwistern kann der Vermieter dem Mieter kündigen. Mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs wurde jener Kreis der Berechtigten auf weiter entfernte Verwandte wie Nichten und Neffen erweitert (BGH Aktenzeichen: VIII ZR 1509/09).

Nicht zur Verwandtschaft gehört im Gegensatz dazu nach Meinung des Amtsgerichts Hamburg der geschiedene Mann (Aktenzeichen: 43b C 250/95), sowie die Eltern der Lebensgefährtin, Stiefkinder wie auch Großcousinen. Zusätzlich muss für jene „entfernten Verwandten“ ein sehr enger Kontakt bestehen um für sie aus Eigenbedarf zu kündigen. Zusätzlich gilt Pflegepersonal des Vermieters oder seiner Angehörigen zum Personenkreis für die aus Eigenbedarf gekündigt werden darf.

Kündigung des Mietvertrags wegen Eigenbedarf muss begründet sein

Die Kündigung des Mietvertrags muss auf eine Art und Weise begründet werden, dass der Mieter sich ein Bild vom geltend gemachten Bedarf machen kann. So ist es nach einem Urteil des LG Hamburg sehr wohl verständlich , wenn ein Paar mit Kinderwunsch einen Raumbedarf von vier Zimmern mit 130 Quadratmetern Wohnfläche anmeldet (Aktenzeichen: 311 S 206/99).

Nach Ansicht des Amtsgerichts Lörrach ist es auch nicht unverhältnismäßig, wenn der 33-jähriger Wohnungseigentümer allein in seine 113 Quadratmeter große Wohnung einzuziehen wünscht. (Aktenzeichen: 4 C 50/12).

Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung

Die Eigenbedarfskündigung ist nur wirksam, wenn sie inhaltlich exakt begründet und zudem formal korrekt ist. Daher sollten Mieter das Kündigungsschreiben Ihres Vermieters sorgfältig prüfen.  Die folgende Punkte sollten enthalten sein.

  • Der Grund des Vermieters für den Eigenbedarf muss ausführlich geschildert werden.
  • Eine Eigenbedarfskündigung hat schriftlich zu erfolgen und muss sich an alle im Mietvertrag stehenden Mieter der Wohnung gerichtet sein.
  • Eine Kündigung hat ebenso von allen Vermietern unterschrieben zu sein.
  • Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen bei einer Eigenbedarfskündigung. Je länger ein Mietverhältnis besteht, desto länger ist auch die Kündigungsfrist: Mindestens drei Monate, ab fünf Jahren Mietverhältnis sechs Monate, bei mehr als acht Jahren neun Monate.
  • Zuletzt: Die Personen, die für den Eigenbedarfsfall einziehen werden, müssen mit Name, Alter und Anschrift aufgeführt werden

Die hier genannten detaillierten Angaben werden von Gerichten gerade deswegen eingefordert, damit Mieter prüfen können, ob eine ausgesprochene Eigenbedarfskündigung auch wirklich gerechtfertigt ist. Ist die Kündigung nicht formal korrekt, weil die benannten Punkte nicht enthalten sind, so ist die Kündigung nicht wirksam.

Verfügbare Alternativwohnung des Vermieters

Häufig sind Vermieter Eigentümer mehrerer Wohnungen oder sogar von Mehrfamilienhäusern. In diesem Fall muss der Vermieter vor einer Eigenbedarfskündigung prüfen, ob eine andere, vergleichbare Wohnung für ihn selbst frei ist oder auch erst frei wird. Selbst wenn es für den Vermieter keine alternative Wohnung  im eigenen Bestand gibt oder er die vergleichbare Wohnung -beispielsweise wegen einer Gehbehinderung- nicht nutzen kann, so muss er dem Mieter diese Alternativwohnung eben anbieten.

Diese Auflage gilt auch, wenn erst nach der erteilten Eigenbedarfskündigung die Wohnung frei wird, jedoch nur bis die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Der Vermieter muss dem Mieter zudem die vertraglichen und finanziellen Konditionen dieser alternativen Wohnung mitteilen.

Das Nichtbeachten dieser Punkte ergibt sich eine unwirksame Kündigung aus Eigenbedarf.

„Vorgeschobener“ Eigenbedarf kann zur Schadensersatzpflicht führen

Es bedarf keiner unzureichender Unterbringung des Eigentümers, damit er Eigenbedarf auf seine Wohnung geltend machen kann. Wird dies jedoch getan, so muss dieses „unzrureichende Wohnverhältnis“ auch offen gelegt werden. Die Beweislast bei Eigenbedarf liegt nicht beim Vermieter sondern beim Mieter – er muss den „vorgeschobenen“ Eigenbedarf belegen.

Eigenbedarfsgrund vorgeschoben
Trickst der Vermieter indem er einen unwahren Eigenbedarfsgrund „vorschiebt“ um den Mietervertrag des Heims zu kündigen, so kann das zu Schadensersatzpflicht gegenüber dem Mieter führen

Wiewohl wenn die Gerichte in jüngster Zeit des Öfteren zugunsten der Vermieter entscheiden, sollten Mieter eine Eigenbedarfskündigung keineswegs anspruchslos akzeptieren. Denn nicht immer ist sie rechtmäßig. Bisweilen ist der Eigenbedarf nur vorgetäuscht, um den Mieter selbst loszuwerden und anschließend die Wohnung teurer zu vermieten oder zu verkaufen. Dies muss der Mieter allerdings beweisen.

Ein solcher Nachweis wäre, wenn sofort nach dem Wohnungsauszug die Wohnung zum Verkauf offeriert wird oder dass nicht die im Kündigungsschreiben genannte Person, sondern irgend jemand ganz anders eingezogen ist. Liegen derartig schwere Indizien für einen vorgetäuschten Eigenbedarf vor, so dreht sich die Beweislast um, und der Vermieter muss nun seinerseits beweisen, dass ursprünglich wirklich Eigenbedarf vorlag und bis zum Auszug des Mieters auch existent war.

Eine Kündigung aus Eigenbedarf die vom Vermieter nur vorgeschoben wurde ist gegebenenfalls auch Schadenersatzpflichtig!

Manch ein Vermieter behauptet in diesem Fall, der Eigenbedarf sei inzwischen weggefallen, was jedoch kein gutes Argument ist – der Vermieter hätte dann nämlich den Mieter unmittelbar – zumindest bis Ablauf der Kündigungsfrist – darüber in Kenntnis setzen müssen. (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof VIII ZR 339/04 und Bundesverfassungsgericht I BvR 31/06).

Neuer Eigentümer und Eigenbedarfskündigung – Wer steht im Grundbuch?

Bei einem Wechsel des Eigentümers einer Wohnung kann ein neuer Eigentümer erst dann eine Eigenbedarfskündigung aussprechen, wenn er namentlich ins Grundbuch eingetragen wurde. Kündigt er bereits vorher, so ist die Kündigung unwirksam. Das gilt selbst dann, wenn sie formal und inhaltlich korrekt ist.

Daher ein Tipp für betroffene Mieter: Im Grundbuchamt kann gegen Vorlage eines gültigen Mietvertrags ins Grundbuch Einsicht genommen werden. War der neue Eigentümer zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht eingetragen, kann der Mieter die Eigenbedarfskündigung als unwirksam ansehen und sie ignorieren.

Ausnahme „Härtefall“ bei Eigenbedarfskündigung

Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Das Wohnrecht eines Mieters ist unter Umständen, den sogenannten Härtefällen, als wichtiger zu bewerten als das Recht des Eigentümers Haus oder Wohnung selbst zu nutzen. Dies ist im Paragraph 574, BGBWiderspruch des Mieters gegen die Kündigung“ festgelegt. Demgemäß muss ein Mieter aus Haus oder Wohnung nicht ausziehen, wenn der Auszug für ihn oder seine Familie als Ganzes eine übermäßige Härte bedeutet. Ein Härtefall liegt beispielsweise dann vor, wenn die Gesundheit des Mieters oder einer der im Haushalt lebenden Person durch einen Umzug gefährdet ist.

Sind Härtefälle pauschal unkündbar?

Die Antwort kurz und knapp: Nein. Eine übermäßige Härte kann nur in Einzelfällen gelten und darf nicht pauschal angenommen werden. So urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Fällen (Az: VIII ZR 180/18, VIII ZR 167/17). Die Gerichte vorhergehender Instanzen hatten in einem Fall dem Mieter und in einem anderen Fall dem Eigentümer Recht gegeben. Der Hauptkritikpunkt des Bundesgerichtshofs: In den vorherigen Verhandlungen hatten die Richter versäumt, Gutachten unabhängiger Experten einzuholen. Die BGH Richter hoben weiterhin hervor , dass nicht nur der Gesundheitszustand des Mieters wichtig sei, sondern auch negative Folgen bei einem Auszug durch ärztliche oder familiäre Betreuung zu berücksichtigen seien. Alle Einflussfaktoren seien in einem einzelfallspezifischen Urteil zu beachten und dazu müsse ein Experte mit einem Gutachten Gehör finden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Mieter nicht aufgrund ein gewisses Alter oder einer spezifischen Krankheit pauschal unkündbar sind.

Die bisherige Rechtsprechung ist damit lediglich einer detaillierteren Präzisierung unterzogen worden. Den in der Vergangenheit bestand natürlich bereits der Konsens, das Richter ohne entsprechende Sachkenntnis auf Expertenmeinungen zurückgreifen müssen.

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