StartAktuellesNiedrigzinsen werden zum Problem für Lebensversicherungen: Regierung will Lebensversicherer stützen

Niedrigzinsen werden zum Problem für Lebensversicherungen: Regierung will Lebensversicherer stützen

— von Christina Neuhaus — Berlin (dapd). Die Bundesregierung sorgt sich um die wirtschaftliche Zukunft zahlreicher Lebensversicherer und will die Branche unterstützen. Hintergrund ist, dass die Unternehmen für ihre Geldanlagen nur noch sehr niedrige Zinsen bekommen. Die Regierung will den Versicherern nun unter die Arme greifen. Die allerdings sehen ihre Lage weniger dramatisch. Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick wirft Schwarz-Gelb vor, die Lebensversicherer auf Kosten der Verbraucher zu stützen.

Die Versicherer müssen ihr Geld laut Gesetz in als sicher geltenden Papieren anlegen. Daher werden oft Bundesanleihen gewählt, die derzeit aber nur sehr niedrige Zinsen abwerfen. Gleichzeitig müssen die Versicherer ihren Kunden einen bestimmten Garantiezins auszahlen. So sinke „die Rendite der Kapitalanlagen schneller als die durchschnittlichen Zinsverpflichtungen gegenüber den Kunden“, heißt es in dem Papier es Bundesfinanzministeriums für den Bundestagsfinanzausschuss, das dapd vorliegt.

Bei einer „signifikanten Anzahl der Unternehmen“ könne deshalb „die Risikotragfähigkeit“ sinken, wenn die Phase der Niedrigzinsen anhalte. Es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Unternehmen künftig in Schwierigkeiten geraten können“. Gefährlich werde es ab etwa 2018, und zwar für das „schwächste Fünftel“ der Unternehmen. Das Ministerium beruft sich auf eine Untersuchung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Der Garantiezins liegt derzeit bei 1,75 Prozent für Neukunden, bei älteren Verträgen ist er deutlich höher.

Lebensversicherung: Versicherer warnen vor „Alarmismus“

Die Branche reagierte umgehend. „Die deutsche Lebensversicherung ist sicher“, hieß es in einer Mitteilung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Die anhaltenden Niedrigzinsen sind für Lebensversicherer eine große Herausforderung“, doch für „Alarmismus“ bestehe kein Grund. „Die Behauptung, dass für einzelne Unternehmen die vorhandenen Mittel ab 2018 nicht mehr ausreichen könnten, um neben den Verpflichtungen gegenüber den Kunden auch die zusätzlichen, aufsichtsrechtlich geforderten Eigenkapitalanforderungen darzustellen, beruht auf rein hypothetischen Betrachtungen.“

Dennoch verabschiedete der Finanzausschuss am Mittwochabend eine Änderung am Versicherungsaufsichtsgesetz, die bereits am Donnerstagabend im Bundestag abgestimmt werden sollte. Demnach könnten die Versicherer bestimmte Bewertungsreserven anders einstufen und müssten ihre Kunden nicht daran beteiligen. Als Bewertungsreserve wird die Differenz zwischen dem aktuellen Marktwert einer Kapitalanlage und deren Kaufpreis bezeichnet. Einen bestimmten Teil davon müssen Versicherungen an Kunden auszahlen.

Lebensversicherung: „Verbrauchern droht Schaden“

Der Grünen-Politiker Schick zeigte sich mit der Lösung unzufrieden. „Jetzt sollen hier per Gesetz Milliarden verschoben werden und die Verbraucher – denen der Schaden durch niedrigere Verzinsung ihrer Versicherungen droht – erfahren praktisch nichts davon“, sagte er dapd. Es gebe bei den Lebensversicherern zwar ein Problem, „aber wieso soll die gesamte Branche von Hilfen profitieren, wenn nur die schwächsten 20 Prozent der Anbieter gefährdet sind?“, fragte Schick. Er bemängelte zudem, dass keine Gegenleistung der Branche für die Unterstützung vorgesehen sei.

FDP-Finanzexperte Frank Schäffler zog eine Verbindung zur Eurorettung. Diese „frisst die Sparvermögen der Bürger und die Renditen der Lebensversicherer“, sagte er dapd. Schuld seien die niedrigen Zentralbankzinsen und die Inflation. „Den Puffer der Lebensversicherungen zu erhöhen, ist der Preis für die vermeintliche Rettungspolitik“, urteilte Schäffler.

(Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses an den Bundestag)

dapd.djn/T2012110801354/cne/arh

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