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Studie: Handel vernachlässigt Senioren

– von Erich Reimann –  Einzelhandel und Konsumgüterhersteller vernachlässigen bislang die speziellen Bedürfnisse älterer Menschen. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney hervor. Dabei sind die über 60-Jährigen der Untersuchung zufolge die am schnellsten wachsende Konsumentengruppe weltweit – und noch dazu überdurchschnittlich kaufkräftig.

Das könnte in den nächsten Jahren zu dramatischen Veränderungen im Einzelhandel führen: zu elektrisch angetriebenen Einkaufswagen, zu Sitzecken fürs Verschnaufen beim Einkaufsbummel, aber auch zu freundlicheren Verkäufern, die sich auch einmal Zeit für ein Pläuschchen beim Bezahlen nehmen.

Für seine Studie hatte das Beratungsunternehmen knapp 3.000 Senioren in 23 Ländern befragt: in Deutschland ebenso wie in den USA, Frankreich, Großbritannien, China, Russland oder Indien.

Das wichtigste Ergebnis: Die Senioren fühlen sich nicht angemessen behandelt. Bislang setzen die meisten Händler im Wettbewerb um die Kunden in erster Linie auf günstige Preise und schnelle Bedienung. Das kommt Berufstätigen und Familien mit Kindern entgegen. Aber es geht an den Bedürfnissen der Senioren vorbei.

Denn für die über 60-Jährigen ist das Einkaufen der Studie zufolge mehr als ein lästiger Punkt auf ihrem Tagesprogramm. Für sie bedeutet Einkaufen auch Freizeitbeschäftigung und Unterhaltung. Deshalb wollen sie nicht schnell abgefertigt werden, sondern halten lieber einen kleinen Plausch mit einen gut gelaunten Kassierer.

„Höchste Zeit auf den Wandel zu reagieren“

Sie möchten eine Sitzecke, in der sich sie ausruhen können, wenn der Einkaufsbummel zu anstrengend wird. Und statt Riesenmärkten auf der grünen Wiese bevorzugen sie kleinere, in der Nähe ihrer Wohnung gelegen Läden, mit einem überschaubaren, aber qualitativ hochwertigen Angebot.

Die Bedürfnisse der Senioren können dem Handel nicht egal sein. Denn auf die über 60-Jährigen entfällt ein immer größerer Teil des Konsums. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird ihre Kaufkraft der Studie zufolge auf 11 Billionen Euro jährlich steigen.

Gab es 1950 weltweit gerade 200 Millionen über 60-Jährige, so sind es heute schon 800 Millionen, und bis 2050 wird ihre Zahl Schätzungen zufolge auf zwei Milliarden steigen. In Deutschland werden voraussichtlich 2030 rund 36 Prozent aller Bürger älter als 60 sein.

„Für Unternehmen wird es höchste Zeit, auf diesen tief greifenden kulturellen und demografischen Wandel zu reagieren“, meint deshalb Handelsexperte Mirko Warschun von A.T. Kearney. Schließlich gibt es einiges, was die Senioren für den Handel attraktiv macht. Denn sie verfügen nicht nur über bis zu 30 Prozent der Kaufkraft. Sie legen auch Wert auch auf Qualität und Service und sind bereit dafür auch höhere Preise zu zahlen.

Doch nicht nur der Handel wird sich auf die Zielgruppe Senioren einstellen müssen, sondern auch die Hersteller: mit besser lesbaren Schriftgrößen und einfach zu öffnenden Verpackungen. Und auch die Werbung muss der Studie zufolge wohl ein Stück weit Abschied nehmen vom Jugendkult der vergangenen Jahrzehnte. Die Werbung sei zu laut, und zu sehr dominiert von jungen Leuten und Rockmusik, beklagten die kaufkräftigen Alten in der Studie.

dapd.djn/re/rg

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